UTOPISCHE GRÜNE METROPOLEN
Der Architekt Stefano Boeri schuf bereits 2014 den „Bosco Vertikale“. Diese faszinierende Konstruktion mit den zwei Wohntürmen bietet 800 Bäumen und 20.000 Sträuchern auf knapp 9.000 Quadratmetern Terrassenfläche Platz – fast ein Hektar Grünfläche mitten in der Metropole Mailands.
Eine Prognose der Vereinten Nationen besagt, dass im Jahre 2050 circa zwei Drittel der Menschen in Städten leben werden. Diese Entwicklung stellt Stadtplaner, Architekten und vor allem die Bewohner vor große Herausforderungen. Der zunehemende Verkehr, die Umweltbelastungen und die dichte Besiedelung der Metropolen führen schon heute dazu, dass sich der urbane Mensch psychisch stärker belastet fühlt. Die Sehnsucht nach mehr „Grün“ in den Städten wächst stetig. Mit Recht, denn die positive Wirkung von Pflanzengrün auf die Seele wurde schon durch viele Studien belegt. Das bestätigt auch der Architekturpsychologe Riklef Rambow vom Karlsruher Institut für Technologie. stylus hat sich verschiedene Ideen und Zukunftsvisionen rund um dieses Thema genauer angesehen.
Je größer die Städte werden, je mehr Menschen auf engem Raum leben, desto stärker steigt das Risiko, dass die menschliche Seele Schaden nimmt, denn es gibt einen Zusammenhang zwischen der weltweiten, rasanten Urbanisierung und den häufigen psychischen Problemen der Stadtmenschen. Diese Kausalität ist schon lange bekannt und in zahlreichen Studien bestätigt, unter anderem auch von Andreas Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI).
„Trotzdem sind Städte generell gut für uns“,
schreibt wiederum Mazda Adli
in seinem neuen Buch´Stress and the City. Mazda Adli ist nicht nur überzeugter Stadtbewohner, sondern auch Psychiater und Therapeut an der Berliner Charité, Chefarzt der Fliedner Klinik und einer der Initiatoren des Interdisziplinären Forums Neurourbanistik.
Adli ist sich aber auch sicher, dass wir lernen müssen, Städte zu lebenswerten Orten zu machen. Und dazu gehören Ruhepunkte in der Stadt, die den Menschen guttun. „Grünflächen, Parks oder kleine Stadtbrachen, das ist eine Erholung zu der städtischen Betriebsamkeit und fördert unter anderem auch die Konzentration. Schulkinder beispielsweise, die eine Grünfläche in der Nähe haben, können im Durchschnitt bessere Schulleistungen erbringen, und wir werden weniger depressiv, wenn sich ein Park in erreichbarer Nähe befindet. Das bedeutet, dass Grünflächen und Natur Stress von Großstädtern abwenden können. „Das ist allerdings ein Dilemma“, sagt Riklef Rambow, Architekturpsychologe am Karlsruher Institut für Psychologie:
„Stadt heißt Dichte, je weniger Fläche eine Stadt verbraucht, umso ökologischer ist sie.“
Woher soll also, bei dem hohen Flächenbedarf für Verkehrsnetze und Wohnbauten, Platz für grüne Oasen geschaffen werden?Eine mögliche Lösung schuf der italienische Architekt Stefano Boeri bereits 2014 mit dem „Bosco Verticale“ in Mailand. Diese faszinierende Idee mit ihren zwei Wohntürmen, 119 und 87 Meter hoch, bietet 800 Bäumen und 20.000 Sträuchern auf knapp 9.000 Quadratmetern Terrassenfläche Platz. Fast ein Hektar Grünfläche mitten im Großstadtzentrum. Das Grün vor den Wohnungen sorge nicht nur für eine bessere Luftqualität, sondern soll auch als Kälte- und Wärmeschutz dienen. Neun Meter hoch sollen die Bäume auf den Terrassen werden. Laut Boeri werden die Bepflanzungen den Energieverbrauch senken und im Sommer ein Mikroklima schaffen, sodass die Temperatur an der Fassade reduziert und Kohlendioxid absorbiert werden kann. Mit seinem Konzept könnten Menschen mitten in der Stadt in einem Wolkenkratzer der Natur so nahe kommen wie sonst nur auf dem Land.
Auch Asien ist sehr interessiert an Stefanos Boeris Konstruktionskonzepten. Zum Beispiel in Nanjing, an der Ostküste Chinas. Hier stellt die Luftverschmutzung ein massives Problem für die Menschen dar, und man erhofft sich von den zwei im Bau befindlichen Türmen namens „Vertical Forests“, dass die gepflanzten 1.100 Bäume und 2.500 Sträucher und Kletterpflanzen an den Fassaden der Wolkenkratzer pro Jahr bis zu 25 Tonnen Kohlenstoffdioxid absorbieren können und täglich mehr als 65 Kilogramm Sauerstoff erzeugen. Die Türme sollen 2018 bezugsfertig sein, und dann beginnt auch die Bepflanzung. Spezialteams werden sich darum sowie um die weitere Pflege des vertikalen Waldes kümmern. „Wir nennen sie professionelle athletische Kletterer,“ sagt Xu Yibo, der Büroleiter und chinesischer Partner des italienischen Stararchitekten Stefano Boeri. Ähnliche Bauten plant Boeri in Shanghai, Guizhou, Shijiazhuang, Liuzhou und Chongqing.
BildmateriaL: Architekturbüro Stefano Boeri, www.123rf.com