FASZINIERENDE ARCHITEKTUR MIT HOLZ

Wird Holz das innovative und in die Höhe wachsende Baumaterial der Zukunft? Für Architekten wird dieser Gedanke weltweit immer interessanter! 

Hochhäuser und Holzhäuser – das schien lange ein Widerspruch in sich zu sein, denn das eine steht für naturverbundenes Landleben und das andere für Technologie und Urbanität. Bei Holzhäusern denken wir an einsame Blockhütten in den Bergen mit knisterndem Kaminfeuer und knarrenden Holzböden. Im Gegensatz dazu steht ein „Wolkenkratzer“ mitten im Trubel einer Metropole, die uns auf ganz andere Weise magisch anzieht: Stahl, Beton, Glas, eine futuristische Atmosphäre und eine Flut an Reizen, auf die wir nicht verzichten möchten. Das soll kombinierbar sein? Bestehen zukünftig unsere Großstädte – auch die Hochhausarchitektur – überwiegend aus dem nachhaltigen Naturprodukt Holz?

„Ja“, sagt Manfred Hegger, Professor für Architektur an der TU Darmstadt. „Wenn man Holz intelligent einsetzt, kann es ähnlich viel leisten wie Stahlbeton.“

Würde er gebaut, wäre der 80-stöckige „Oakwood Timber Tower“ in London mit geplanten 1.000 Wohneinheiten das höchste Holzhochhaus der Welt. (PLP Architecture/ Cambridge University)

Lange Zeit wurde dieses Baumaterial vernachlässigt und als minderer Baustoff dargestellt; Beton hingegen ist in unseren Städten allgegenwärtig und spielte bis in die 1980er-Jahre hinein eine entscheidende Rolle. Erst das Aufkommen der Ökobewegung lenkte die Blicke wieder auf Holz – auch weil die Herstellung von Beton zunehmend unsere Umwelt belastet. Die Verarbeitung von Bäumen zu Bauholz verbraucht viel weniger Energie als die Herstellung von Stahl, Beton oder Aluminium. Seit man sich intensiv mit Ökobilanzen, Energieeffizienz und Aspekten der Behaglichkeit unterschiedlicher Materialien befasst, wird Holz zunehmend interessanter.

Schon jetzt bauen Architekten überall auf der Welt Hochhäuser, die überwiegend aus dem nachwachsenden Rohstoff bestehen. Möglich machen das technische Innovationen in der Verarbeitung und Anwendung, komplexe Formen und beeindruckende Spannweiten.

Diese neue Generation von Holzgebäuden „wächst“ regelrecht in den Himmel: War 2011 das Holzhochhaus der SCHANKULA Architekten in Bad Aibling noch das erste mit acht Geschossen in Mitteleuropa, entsteht seit Anfang 2016 das „Hoho Wien“ mit 84 Metern Höhe und 24 Stockwerken. Nach heutigem Stand wird es das weltweit höchste Holzhochhaus. Der Spatenstich war bereits im Oktober 2016.

„Holz ist ein extrem guter Baustoff, wenn es brennt, denn er bleibt stabil. Stahl verliert seine Tragfähigkeit deutlich schneller“,

sagt Oliver Sterl vom Wiener Architekturbüro RLP Rüdiger Lainer + Partner, die das „Hoho Wien“ geplant haben. Im Gegensatz zu vielen Holzbauten wird bei diesem Gebäude Holz nicht verschalt oder versteckt: „Der Besucher soll sofort spüren, dass er sich in einem Holzhaus befindet“, wünscht sich Sterl. Obwohl das „Hoho Wien“ kein reinrassiger Holzbau ist, sondern in Hybridbauweise erstellt wird: Der Kern mit Aufzugsschächten, Treppen und Leitungen besteht aus Stahlbeton.

HoHo-Wien: Das Architektenteam RLP Rüdiger Lainer + Partner hat das Konzept entwickelt und geplant, für die Umsetzung sorgt die Entwicklungsgesellschaft cetus Baudevelopment GmbH als Auftraggeberin unter der engagierten Leitung von Bmstr. Ing. Caroline Palfy.

Die meisten anderen Bauteile, die schon vorgefertigt angeliefert werden, sind aus Holz-Beton-Verbundelementen und Brettsperrholz. Insgesamt wird der Holzanteil im Haus jedoch 75 Prozent ausmachen, verspricht Sterl.

Das Architektenteam RLP Rüdiger Lainer + Partner hat das Konzept entwickelt und geplant, für die Umsetzung sorgt die Entwicklungsgesellschaft cetus Baudevelopment GmbH als Auftraggeberin unter der engagierten Leitung von Bmstr. Ing. Caroline Palfy. Mit der Fertigstellung des Hochhauses wird 2019 gerechnet. Interessant ist der künftige urbane Gebrauchswert des „Hoho Wien“. Der Turm bildet ein integratives Element im neuen Wiener Quartier Seestadt Aspern, in bester Lage, direkt am See-Park und nahe der U-Bahn. Ab 2019 sind Büros, serviced apartments, ein Restaurant, ein Hotel und Wellnessbereiche im „HoHo Wien“ vorgesehen. So bilden Ökonomie und Ökologie im Konzept von RLP eine Synthese zum gegenseitigen Nutzen.

Zu den vielen Vorteilen der Holzbauweise kommt auch der Kostenfaktor: Der Architekt und Software-Entwickler Holger König hatte im letzten Jahr in einer Studie berechnet, dass Holzbau in vier von fünf Fällen gleich teuer oder sogar günstiger als die Standard-Bauweise mit massiven Baustoffen ist und dabei auch noch CO2 einspart. Die Schwierigkeiten bei der Holzbauweise liegen nicht bei den Kosten, sondern eher bei ordnungsrechtlichen und bürokratischen Hürden. Denn selbst die Ansicht, dass Holzgebäude schneller brennen, ist inzwischen veraltet. Stützen aus Holz halten einem Brand länger stand als Stahl. Holz ist zwar schneller entzündlich, aber die Abbrennrate ist besser berechenbar.

Auch Stararchitekt Michael Green und sein Büro MGA in Vancouver setzen sich aktiv für den mehrgeschossigen Holzbau ein, denn Architekten wissen schon lange, wie man ökologisch sinnvoll und innovativ baut. Mit dem sechsgeschossigen „Wood Innovation and Design Centre“ (WIDC) in Prince George, das 2014 fertiggestellt wurde, beweist Green, dass Holz eines der schönsten und nachhaltigsten Baumaterialien der Welt ist.

„Selbst verkohlte Balken können noch einiges halten, wenn Stahl schon längst geschmolzen wäre.“ Tom Kaden, Architekt, Berlin

Abgesehen von einem Betonsockel und einer tragenden Wand im obersten Geschoss, wurden beim WIDC ausschließlich Holzmaterialien eingesetzt. Decken- und Wandelemente bestehen aus Brettsperrholz, Pfosten-Riegel-Konstruktionen aus Brettschichtholz, und die Fassade wurde in Zedernholz ausgeführt. Green versteht das WIDC als wiederholbare Lösung, denn das Strukturkonzept ist auf 20 Geschosse ausgelegt. Mit geringer Abweichung sind bis zu 30 Stockwerke denkbar. Green geht davon aus, dass sich das nordamerikanische Baurecht bald an die Gebäudestruktur seines Tallwood-Konzeptes anpasst. Und so plant er bereits in der Metropole Vancouver mit seinem Büro den Bau eines 30-stöckigen Holz-Wolkenkratzers, den Tallwood Tower, und in Paris soll ebenfalls von Green ein Hochhaus mit 35 Stockwerken aus dem natürlichen Rohstoff, der soviel Kohlenstoffdioxid speichert, entstehen.

Sollte sich sein Konzept in Vancouver bewähren und sich die Tallwood-Pläne als serientauglich entpuppen, dann stünde Städten aus Holz nicht mehr viel entgegen.